Sommer mal anders – Italienisch für Dolmetscher*innen in Genua

Sommer mal anders – Italienisch für Dolmetscher*innen in Genua

Dolmetschen heißt nicht immer viele Sprachen beherrschen – aber manchmal eben doch

„Ach, du bist Dolmetscherin? Wie viele Sprachen sprichst du denn?“ ist wahrscheinlich die häufigste Smalltalkfrage, die mir gestellt wird, wenn ich neue Menschen kennenlerne. Die übliche, für die neuen Bekanntschaften oft nicht so spannende Antwort: „nur“ drei. Auf dem Privatmarkt kommt es nicht auf die Anzahl der Sprachen an. Sondern vielmehr darauf, sie möglichst perfekt zu beherrschen – idealerweise auf einem muttersprachenähnlichen Niveau.

Anders bei den Institutionen der Europäischen Union. Da man beispielsweise beim Europäischen Parlament überwiegend in die eigene Muttersprache dolmetscht, dafür aber mit Redner*innen aus allen 27 EU-Ländern zu tun hat, werden wir Dolmetscher*innen ermutigt, möglichst viele Fremdsprachen zu lernen. So sind wir universeller einsetzbar. Und so habe ich dieses Jahr zum ersten Mal seit meiner Jugend an einem Sprachkurs teilgenommen – um meine EU-Sprachenkombination aus Polnisch, Deutsch und Englisch um eine romanische Sprache, nämlich Italienisch, zu erweitern.

Zwei Wochen Sprachimmersion

Im Rahmen der Sprachkursförderung des Europäischen Parlaments verbrachte ich im August zwei Wochen in Genua. Mein angestaubtes, in der Jugend mal aus Interesse gelerntes Italienisch sollte in einem Intensivkurs auf ein C1-Niveau gehoben werden. Ein ambitioniertes Vorhaben – aber zum Glück gibt es in Genua die Sprachschule A Door to Italy. Diese arbeitet seit bald einem Jahrzehnt mit EU-Dolmetscher*innen zusammen und hat einen Italienisch-für-Dolmetscher*innen-Kurs konzipiert, der genau auf die Bedürfnisse unserer Berufsgruppe angepasst ist .

Obwohl Genua unvergleichlich schön und zwischen Bergen und Meer gelegen ist, war meine Zeit dort definitiv kein Urlaub. Bei stellenweise über 35 Grad Hitze haben meine Kolleg*innen und ich über die zwei Wochen insgesamt fast 45 Stunden Unterricht absolviert. Dieser war aufgeteilt in Gruppenunterricht am Vormittag und individuelle Lektionen am Nachmittag. Der Fokus des Gruppenunterrichts lag auf dem Hören von authentischen Reden und Interviews. Dabei ging es um aktuelle Themen wie italienische Politik, Migration, Landwirtschaft und die Mafia. Im Nachgang wurden die Texte besprochen und der Wortschatz erarbeitet. Mein Glossar füllte sich schnell mit 1600 neuen Wörtern und Ausdrücken, die es jetzt noch auswendig zu lernen gilt… Im Einzelunterricht konnte ich auch aktives Italienisch üben und mit meinem Lehrer über Gott und die Welt sprechen – aber auch hier immer mit einem besonderen Augenmerk auf das Erlernen von Realien und die Erweiterung des Wortschatzes.

In der Freizeit ging das Lernen weiter: Beim gemeinsamen Aperitivo mit den Kolleg*innen, bei einem Gruppenlunch oder Stadtspaziergang. Da ich mich außerdem dazu entschieden hatte, statt in einem Hotel bei einer italienischen Gastfamilie zu übernachten, war ich rund um die Uhr in die Sprache und Kultur eingetaucht. Ja, es fühlte sich ein bisschen wie ein Schülerinnenaustausch an – aber in Bezug auf die sprachliche Immersion war diese Entscheidung ein Volltreffer.

Nächstes Ziel: Italienisch offiziell hinzufügen

Nach den intensiven zwei Wochen fühle ich mich im Italienischen viel sicherer und vielseitiger.  A Door to Italy und den Kurs für Dolmetscher*innen kann ich jeder Kollegin und jedem Kollegen wärmstens empfehlen. Ich selbst werde mein Italienisch nun in Eigenregie weiter vertiefen und freue mich, nächstes Jahr nach einem hoffentlich erfolgreichen Sprachtest bei der EU auch aus dieser schönen Sprache arbeiten zu dürfen.

Dolmetschen für das Europäische Parlament

eine ortsfeste Dolmetschkabine im Europäischen Parlament

Was lange währt, wird endlich gut: Nachdem ich meine Akkreditierungsprüfung für die Institutionen der Europäischen Union im März 2020 knapp vor Beginn der ersten Lockdowns bestanden hatte, war zunächst klar, dass auf absehbare Zukunft keine Dolmetschaufträge vonseiten der EU kommen werden. Über ein Jahr später ging alles plötzlich ganz schnell – mit gerade einmal einer Woche Vorlaufzeit wurde ich im Juni für meinen ersten Dolmetscheinsatz für das Europäische Parlament in Straßburg angefragt.

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EU-Akkreditierung

EU-Akkreditierung als Dolmetscherin

Im Corona-Trubel gehen andere Nachrichten unter und auch ich war Anfang März mit vielen entmutigenden Entwicklungen auf einmal konfrontiert. Dabei ist nur wenige Tage vor Beginn der Kontakteinschränkungen etwas passiert, worauf ich sehr stolz und glücklich bin: Am 5. März bestand ich die Akkreditierungstests für die Institutionen der Europäischen Union und darf seitdem als Freiberuflerin in allen meinen Sprachenkombinationen (Deutsch<>Polnisch, Englisch-Polnisch) bei EU-Sitzungen dolmetschen.

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